Ich bin gestresst. Von der Arbeit, die zu viel ist. Von meinem Körper, der viel zu oft nicht reibungslos funktioniert (also quasi immer). Von meinem Partner, der viel zu oft da ist (also quasi immer). Von unserer Wohnung, die viel zu klein ist (also wirklich jetzt). Vom Internet, das viel zu oft nicht funktioniert (also quasi 3/4 des Tages). Und von Corona sowieso (Also seit März).
Ich habe oft Magenschmerzen, weil der Stress mir im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlägt. Ich trinke dann Tee. Kamille. Oder Fenchel. Und denke so vor mich hin. Denke, wie ich besser mit Stresssituationen umgehen kann. Mich stresst es schon, wenn mein Freund morgens um mich rum wuselt, bevor ich in Ruhe meinen ersten Kaffee hatte. Ich werde dann gereizt oder fange an zu heulen. Man könnte jetzt fragen „Ey Lisa, warum so dünnhäutig?“, und ich sage dann „Ey Leute, kein Plan“. Ich hatte dieses Verhaltensmuster oder wie die neumodische Küchenpsychologie das nennt, schon vor Corona. Also seit ich denken kann. Bin jetzt 26 und weiß immer noch nicht, warum mich plötzliche Veränderungen oder visuelle Reize so schnell aus der Ruhe bringen. Kann natürlich damit zusammenhängen, dass meine toten Synapsen eine visuomotorische Störung ausgelöst haben. Ey Leute, kein Plan. Zu wissen, wo et her kütt, hilft nicht immer. Et kütt halt wie et kütt.
Ich ziehe mich jeden Tag so an, als würde ich ins Büro fahren. Also mindestens Bluse. Und schminke mich, selbst wenn keine Videokonferenz für den Tag geplant ist. Fühle mich dann irgendwie wacher, weil ich mir nichts durchs Gesicht gehe oder die Augen reibe, um mir den Mascara genüsslich ins Auge zu reiben. Passiert dann manchmal doch und dann sitze ich da und sage zu mir selbst „Ach Scheiße, ich bin ja geschminkt“. Und klar, das hilft irgendwie, beim sich wohler fühlen. Aber mal ernsthaft wer fühlt sich unter den weltlichen Umständen noch wohl? Selbst wenn du super selfish bist und so. Kann mir nicht vorstellen, dass das nicht inzwischen jedes Hirn erreicht und belastet. Wir haben ja nicht mal Erinnerungen an früher im Jahr, an denen wir uns hochziehen könnten. Keine/Kaum Konzerte, nicht spontan Freunde treffen, kein Sommer im überfüllten Freibad. Nix. Und so richtig auf „etwas Großes“ freuen, geht auch nicht. Weil: Weiß ja keiner, wann es wieder langsam aber richtig los gehen kann.
Ich Google manchmal im Internet, wie ich meine Resilienz stärken kann. Und neben recht nützlichen Tipps wie, dass ich mich viel mit Menschen umgeben soll (auch ein Anruf oder Videocall hilft da schon), oder Dinge tun, von denen man weiß, dass sie einem gut tun, fällt mir immer wieder ein Satz ins Auge Erstmal die Situation akzeptieren. Erstmal fick dich. Ich muss gar nix. Und wenn ich abgefuckt von mir bin, weil ich abgefuckt bin, dann bin ich abgefuckt. Ich setz mich dann nicht erstmal eine viertel Stunde seelenruhig auf den Küchenboden und frage mich „Ey Lisa, warum so abgefuckt?“.
Ich raffs nicht, Leute. Ich raffs echt nicht. Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben, mit der Situation umzugehen. Das sehe ich nicht nur ein, sondern genauso . Aber warum zum Teufel macht man selbst aus dieser Scheiße einen Wettlauf? Schneller, besser, Resilienz auf Level 100, lebe bewusst, seit dir deiner Gefühle bewusst, nimm das hin. A.k.z.e.p.t.i.e.r.e.
Der Witz an der Sache ist ja: Auf der einen Seite sollen wir lernen, unsere Gefühle, Gegebenheiten, Situation zu akzeptieren, damit war ja nicht daran zerbrechen. Und auf der anderen Seite bäumen wir uns auf. Gegen Ungerechtigkeiten dieser Welt wie, dass ich weniger verdiene als meine Kollegen, offenbar, weil ich Brüste habe und das Behinderte immer noch krass für ihre Rechte kämpfen müssen. Und auf der anderen Seite, sollen wir alles erstmal so hin nehmen. Ich bestreite nicht, dass ich hier Äpfel mit Birnen vergleiche. Beides lecker, aber doch völlig unterschiedlich vom Geschmack. Aber Hä?
Finde es irgendwie schwierig, das alles in Einklang zu bringen. Weil darum geht’s ja eigentlich. Einklang mit dir selbst und so. Und wenn du das nicht bist, dann lernst du es halt. Genau wie du lernst mit einer weltweiten Pandemie umzugehen und deine Widerstandskraft zu stärken, um wie der Phoenix aus der Asche aus dieser Situation hervorzugehen. Ne, einfach ne. Man kann sich halt auch kaputt denken, beim Was kann ich tun, damit es mir besser geht? Mach dies, dann geht es dir besser. Mach dir nicht so ’nen Stress, dann geht es dir besser. Mach mehr Dinge für dich, dann geht es dir besser. Schrei doch einfach mal deinen Laptop an, vielleicht geht’s dir dann besser! Heute so geschehen, in meiner Küche, obwohl das arme Ding nichts dafür konnte, dass mein Internet nicht funktionierte. Danach ging es mir besser.