Wird kühl jetzt, denk ich und nippe an meinem Glas Lillet. Ich bin in einem Alter, da bringt man Salat mit. Oder halt Alkohol. So wie früher. Ich hab‘ mich für letzteres entschieden. Weil früher war sowieso alles besser. Vielleicht. Auf jeden Fall haben wir da mehr Bier getrunken und weniger Salat gegessen. Lillet ist aber auch ganz ok. Ich komme mit 2 Leuten ins Gespräch. „Ich überlege eigentlich noch zu studieren“, sag ich. „Tun wir das nicht alle?“, sagt der Typ. Ich denk so: also ich kenne mehr Leute, die sich seit einigen Jahren recht sicher sind, dass sie nicht noch studieren wollen, als Leute die es wollen. Haue dann aber doch nur ein leises Lachen raus, ziehe an meiner Zigarette und stimme ihm zu. Irgendwie kommen wir dann aufs Thema Wohnung. Was junge Leute halt so beschäftigt. Oder jeden. Wenn man nicht gerade 20.000 Euro aufm Konto rumgammeln hat. Ich sage, dass es für mich schwierig ist, eine passende Wohnung zu finden, weil ich einige alltägliche Dinge wegen meiner Behinderung nicht gut kann. Der Kerl ist völlig verwirrt, was ich denn hier plötzlich von Behinderung quatsche. Ich ratter kurz die alte Laier durch. Und er so „Naja, aber so richtig behindert bist du ja nicht, oder?“. Jetzt ist er nicht mehr verwirrt. Dafür bin ichs. „Doch.“, sag ich. „Ich habe einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 (mit Hydrocephalus und rechtsseitiger Hemi, lässt sich drüber streiten, ob 40 jetzt eher yeahi oder nej ist, aber das ist ein anderes Thema) vor dem Gesetz bin ich ein behinderter Mensch.“, sage ich weiter. Der Typ findet das krass. Ich find den Typen krass. Unsensibel.
Auf der Heimfahrt denke ich darüber nach, ab wann man so richtig behindert ist und ob ich zu dumm dafür bin. Meine spastische Hemiparese ist aus medizinischer Sicht kaum feststellbar. Und der Shunt liegt halt unter meiner Schädelhaut aufm Schädelknochen. Eigentlich tut mir das echt leid, für meine Mitmenschen. Die können ja gar nicht sehen, dass ich irgendwie nicht ganz fritte bin. Und eigentlich kann ich ja sowieso gar nichts. Nicht mal richtig behindert sein kann ich. Ist ja logisch, weil man sieht es mir ja nicht an. Und was man nicht sieht, das ist nicht da. Und wenn jemand genau so normal wirkt wie alle anderen, dann ist der halt normal und nicht eingeschränkt oder behindert. Manchmal frage ich mich, wer hier wirklich eingeschränkt ist. Ich mit meiner Beweglichkeit, oder meine Mitmenschen im Denken?