Mein Kopf fühlt sich vollkommen leer an und gleichzeitig unfassbar voll. Ich habe so viele Gedanken, dass ich gar nicht weiß was ich denken soll. Der Prozess des Denkens liegt ja in der menschlichen Natur. Alles ist gut, solange wir denken. Über bestimmte Sachverhalte nachzudenken hat uns evolutionstechnisch weitergebracht und Erfindungen oder Erkenntnisse hervorgebracht, die unsere Art zu Leben für immer verändert hat. Nur frage ich mich all zu oft, wann der Bogen des Denkens überspannt ist. Ab wann wir eine Sache ZERdenken. Vielleicht sogar so sehr, dass wir uns im Kreis drehen anstatt uns in unserer eigenen, ganz persönlichen, Evolution voranzubringen. Und wenn dieser Punkt erreicht ist, wenn der Bogen überspannt ist, merken wir das dann überhaupt selbst?
Mir hat mal jemand gesagt „Jeder Gedanken ist es Wert gedacht zu werden“. Stimmt, irgendwie. Gedanken fallen ja nicht einfach so vom Himmel und entgegen der Annahme aus dem uralten Volks- und Kinderlied „Die Gedanken sind frei“, sind sie das nicht. Denn erstens geht jedem Gedanke ein Gefühl voraus und zweitens sind Gedanken Rudeltiere. Kein Gedanke schwebt frei im Kosmos Hirn ohne nicht mindestens eine Synapse als Andockstation zu nutzen. Jeder Gedanken ist verbunden mit irgendetwas. Einer Erinnerung, einer Emotion. Meistens mit beidem. Und auch wenn jeder Gedanke es Wert ist, von uns gedacht zu werden, so zweifeln und verzweifeln wir doch all zu oft an ihnen. Denn einem einzigen Gedanke folgt meist ein ganzes Rudel an Gedanken. Wir denken und denken und denken und denken irgendwann so viel, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir am Anfang gedacht haben. Dann denken wir noch angestrengter nach, weil wir ja wissen möchten, was wir am Anfang unserer Gedankenschleife dachten. Ein Gedanke kommt selten allein. Und am Ende sind wir einfach nur müde. Dann ärgern wir uns vielleicht über uns selbst, weil wir unsere Energie für sinnfreies Denken verschwendet haben, anstatt über etwas sinnvolles nachzudenken.
Bevor ich diesen Text began dachte ich über das Denken nach. Ob das jetzt sinnvoll oder sinnfrei ist, muss jeder für sich entscheiden. Ich wollte das Denken mit etwas vergleichen, im Sinne von „Gedanken sind wie….“, mir fiel aber nichts passendes ein. Nun wollte mein Hirn offensichtlich denken, also dachte ich (mit der Zahnbürste im Mund) über das tun nach. Wir tun ja immer irgendwas. Wenn die Kollegin montags morgens im Büro fragt was wir am Wochenende gemacht haben, könnten wir entweder nicht antworten oder „nichts“ antworten. Ersteres wäre äußerst unhöflich. Letzteres schlichtweg eine Lüge. Unsere Definition von nichts, in der modernen digitalen Welt, ist: Ich habe nichts getan, was es Wert wäre anderen gegenüber erwähnt zu werden. Selbst wenn wir also nichts tun, tun wir etwas. Und wenn es atmen ist. Nur ist das Atmen ein Automatismius unseres Körpers. Wir denken nicht: einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Es sei denn wir meditieren, machen Yoga oder sonst etwas, was uns zu innerer Ruhe verhilft. Aber an einem ganz normalen Tag atmen wir einfach. Ohne darüber nachzudenken. Nun ist es aber so, dass uns Automatismen in manchen Bereich zuwider sind. Passiert etwas automatisch, ohne dass wir aktiv eine Handlung vollziehen müssen, über die wir vorher nachgedacht haben, denken wir, wir täten nichts. Und bevor unser Hirn „nichts“ denkt, denkt es lieber irgendwas.
Die Erkenntnis des nichts
Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Gedanken den Wert des drübernachdenkens hat, gibt es kein sinnfreies Denken. Als „sinnfrei“ oder sinnlos empfinden wir immer dann etwas, wenn sich unsere Situation mit Hilfe dieser Tat nicht verändert hat. Wie oft hören wir in unserem Leben den Satz „Es macht überhaupt keinen Sinn darüber nachzudenken.“ oder „Ich weiß nicht, warum du dir überhaupt Gedanken darüber machst!“ Dabei führt uns erst das Gedachte zu einer Erkenntnis. Wir können keine Erkenntnis über etwas erlangen, bevor wir nicht über die Sache nachgedacht haben. Während des Denkens denken wir nicht einfach nur, wir haben immer auch ein Ziel vor Augen. Und zwar dass uns das, was wir gerade denken, voranbringt. Der Mensch ist demnach ein zielorientierter Denker. Bleibt dieses Ziel aus oder laufen wir darüber hinweg, ziehen wir nicht über Los und sacken keine 200 Euro ein, sondern heben uns den Gedanken im besten Fall für später auf. Wir denken und denken und kommen am Ende zu einer Erkenntnis. Oder eben auch nicht. Und genau das ist es, was uns so stört. Die Erkenntnis, dass am Ende unseres Denkens genau diese ausbleibt. Aber auch die Erkenntnis, keine zu haben, ist eine. Meistens denken wir dann nämlich trotzdem weiter. Holen uns die Gedanken anderer mit ins Boot, kommen vielleicht irgendwann zu dem Schluss, dass wir das Ganze ruhen lassen sollten oder merken erst durch unsere Nicht-Erkenntnis, dass wir uns im Kreis drehen. Und biegen ab.
Die Erkenntnis, dass uns unsere Gedanken in diesem Moment nirgendwo hinführen, uns keinem Ziel näher bringen, macht uns Angst. Aber auch das ist für etwas gut. Es braucht das nichts, damit etwas sein kann.