Die Worte des David Remnick

Vorhin laß ich bei ZEIT ONLINE ein Interview mit dem 58-jährigen Journalisten David Remnick. Remnick ist allerdings nicht irgendein Journalist, sondern Chefredakteur des renommierten US-amerikanischen Magazins „The New Yorker“. Als Remnick 1998 überraschend Chefredakteur der Zeitschrift wurde, nachdem der eigentlich Ausgewählte kurzfristig absprang, lag die Auflage bei 800.000 Exemplaren. Heute sind es wöchentlich 1,2 Millionen. Dafür dass er nach eigener Angabe, in den ersten Monaten in seiner Position als Chefredakteur vor lauter Bammel fünf Kilo abnahm, hat er seine Aufgabe offensichtlich ziemlich gut gemacht. David Remnick wird hochgeschätzt, 1994 gewann er den renommierten Publitzer-Preis, seine Biographie über Muhammad Ali brachte ihm ebenfalls große Aufmerksamkeit. Und auch ich war beeindruckt, während ich das 3-seitige Interview laß. Bis mich der letzte Satz auf Seite zwei, eine Aussage Remnick’s erst erstaunte und dann nachdenklich werden ließ. Darin sagt er: „Das Leben ist schmerzhaft. Wenn du Glück hast, wird der Schmerz von vielen Momenten der Freude unterbrochen.“

Beim ersten lesen war ich nicht nur erstaunt, sondern gerade zu schockiert von diesem Mann so einen Satz zu lesen. Wie kann sich jemand, der so viel erreicht hat, der über 19 Jahre hinweg immer den richtigen Riecher hatte und damit andere ebenfalls hoch renommierte amerikanische Magazine in den Schatten stellt, so pessimistisch, gerade zu negativ über das Leben äußern? Müsste David Remnick nicht strotzen vor Optimismus, alle anderen (vor allem seine Mitarbeiter) damit anstecken, damit sie die Arbeit leisten, die diese hohen Auflagezahlen belegen? Ich denke, dass tut er. Solange er die Rolle des Chefredakteurs einnimmt. Remnick wuchs mit zwei schwer kranken Eltern auf. Die Mutter erkrankte früh an Multiple Sklerose, der Vater leidete an Pakinson. Seine 18-jährige Tochter ist Autistin. Ich laß den Satz wieder und wieder. „Das Leben ist schmerzhaft. Wenn du Glück hast, wird der Schmerz von vielen Momenten der Freude unterbrochen.“ – Ich dachte nach: Ist das, was David Remnick über das Leben denkt, wirklich der Kreis des Lebens, von dem immer alle sprechen? liegt die Grundlage unseres Lebens im Schmerz und wird dieser Schmerz nur unterbrochen, ja gar nur überdeckt von Glück und Freude? nein, schoss es mir durch den Kopf. Ganz im Gegenteil, ist es genau umgekehrt. Das Leben ist Freude und manchmal Glück. Einige von uns bekommen davon viel, andere weniger ab. Aber nicht das Glück oder die Freude sind die Ausnahmen unseres Lebens, sondern die schmerzhaften Momenten. Die Momenten, in denen uns der Verlust eines Menschen zerreißt, in denen der Liebeskummer unseren Verstand zu Boden wirft. Wenn der Schmerz ins unermessliche reicht und wir denken nie wieder von diesem Boden des Schmerzes aufstehen zu können, dann ist das Leben schmerzhaft. Wir sind verletzlich, also empfinden wir Schmerz sobald wir verletzt werden. Aber liegt der Grundsatz des Lebens nicht im Glück und in der Freude? Sind wir nicht immer darauf erpicht, von einem freudigen Moment in den nächsten zu springen? Möglichst ohne schmerzhafte Episoden dazwischen? Ist es nicht so, dass das Glück und die Freude stärker sind als Schmerz und dass dieses wunderbare Dou eher den Schmerz in den Schatten stellt, als dass dieser seinen Schatten über sie legt? Ich denke, ja. Und dafür muss ich keine Optimistin sein. Es gibt Momente im Leben, die so negativ sind, dass wir versuchen sie mit positiven zu kompensieren. Manchmal über Wochen, Monate, Jahre. Und manchmal unser ganzes Lebenlang. Es gibt Momente im Leben, in denen kein Glück, keine Freude dieser Welt ausreicht, um den Schmerz in den Schatten zu stellen. Aber so einfach die Gleichung des Glücks ist, so einfach ist sie wenn wir von Schmerz reden. Wenn du Glück und Freude teilst, werden sie größer. Wenn du Schmerz teilst, wird er kleiner. Das Leben ist weder Glück noch Freude noch Schmerz, sondern deine eigene Langzeit Serie mit verschiedenen Episoden. Und auch wenn wir gern ohne Unterbrechung immer weiter und weiter schauen würden, um zu sehen was als nächstes passiert: Eine Episode endet irgendwann und danach wollen die meisten von uns bekanntlich mindestens noch eine sehen.

Wer die Worte Remnick’s noch einmal nachlesen möchte, finde sie hier

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