Mr. Anonymus

Ich kenne dich. Du kennst mich. Aber uns, uns kennen wir nicht.

Es gibt viele Arten sich kennenzulernen. In einer Bar, auf einer Party, durch Freunde und freundes Freunde. Oder durch nicht ganz so angesehene Online Plattformen, wie Tinder.

In der realen Welt, hört man so Sprüche wie „ich suche nicht, ich lasse mich finden“, oder „ich will keine Beziehung, dafür habe ich gar keine Zeit!“ – Und hofft dann, dass niemand mitbekommt, wie dein suchender Blick alle 10 Minuten aufs neue durch die Bar schweift.

Die digitale Welt macht es da einem schon etwas leichter. Meldest du dich bei Tinder oder bei einer der unzähligen anderen Single-Plattformen an, ist von vorne rein klar, was du suchst. Auch wenn viele Nutzer in ihrem „about me“-Status gerne etwas anderes behaupten. Klar, suchst du nur Spaß, nichts festes, sondern etwas unverbindliches. Du sagst du bist ein Freigeist und dass du dich bloß nicht festlegen willst. Aber wenn nach unzähligen verpatzten Dates und Enttäuschungen die richtige Person vor dir steht, die eine die dich zittern lässt, dann sagst du nicht „Ich mag dich wirklich, aber mein Tinderstatus sagt ich such‘ nur Spaß!“

Nur wir, deine und meine, unsere Geschichte mag in keine Art des Kennenlernens so recht rein passen.

Du bist nicht der Eine aus der Bar und du bist kein Tinder Match.

An einem Freitag Abend, dem 22. Mai um genau zu sein, war mir nicht klar was daraus werden würde. Was aus uns beiden werden würde. Es war purer Zufall, dass ich plötzlich von dir wusste und es war noch mehr Zufall, dass ich an diesem Freitag Abend des 22. Mai zu Hause auf dem Sofa lag, 3 Packungen Taschentücher an einem Abend verbrauchte und trotzdem durch den Mund artmen musst um Luft zu kriegen, anstatt mit meinen Freunden in einer Bar zu hocken.

Ich stellte dir Fragen zu deinem Beruf, weil du das was ich noch vor mir habe, schon hinter dir hast. Ich wollte aus nächster Hand erfahren, wies läuft. Was es zu beachten gibt und wie ich mich am besten vorbereite.

Ich wollte nicht wissen, ob du spät ins Bett gehst und spät aufstehst. Ich wollte nicht wissen, ob du gerne reist oder lieber in der Heimat bleibst. Ich wollte nicht wissen, welche Musik du hörst und welche Serien du guckst.

Aber nach einigen Wochen des schreibens, ertappte ich mich dabei, wie ich es doch wissen wollte. All das und noch viel mehr.

Und ich bekam stehts eine Antwort von dir. Immer ehrlich und interessiert. Und immer voller Gegenfragen an mich.

Heute, knapp 1 Jahr später,  weiß ich, dass du die Eule und nicht die Lerche bist, dass du gerne reist, kenne deinen Musikgeschmack und weiß, welche Serien du guckst. Und noch viel mehr.

Und dennoch kenne ich dein Lächeln nicht, kenne dein Lachen nicht. Weiß nicht, ob du deine Stirn leicht in Falten legst, wenn du nachdenklich bist. Kenne nicht dein verschlafenes Gesicht, direkt nach dem aufstehen.

Wir wissen so viel voneinander und sind doch unbekannte.

Und trotzdem vertraue ich dir buchstäblich blind.

Es heißt vertraue niemandem den du nicht kennst. – Ja, vielleicht bin ich grade weil ich genau das tue auf Enttäuschung oder Verletzung aus. Aber vielleicht bin ich ja auch gar nicht enttäuscht, oder verletzt. Oft genug dachte ich, ich sei es. Ein paar mal wollte ich die Bremse ziehen, bevor mein Herz „skips a beat“ spielt, sobald du mir schreibst. Aber ich habe es nie geschafft, dich ganz aus meinen Gedanken zu verbannen. Nie habe ich es geschafft, morgens als erstes nicht an dich zu denken und nie habe ich es geschafft, mir abends nicht unsere letzten Nachrichten durchzulesen.

Jetzt brummen wir uns Regeln auf, obwohl wir Regeln hassen. Obwohl wir den meisten Situationen aus dem Weg gehen, indenen uns jemand sagen könnten, was wir zu tun oder zu lassen haben.

Plötzlich sind wir selbst zu so jemandem geworden. Um uns zu schützen, vor Enttäuschung und Verletzlichkeit, obwohl wir doch angeblich gar keine Angst davor haben enttäuscht oder verletzt zu werden.

Stattdessen warten wir. Warten auf eine Nachricht, die regelmäßig alle paar Monat kommt. Dabei war Regelmäßigkeit nie unser Ding.

Mit der Nachricht kommt das Lächeln und das Herz spielt „skips a beat“.

Und dann wartet man wieder, wartet wieder auf die Nachricht von der Personen, die einen zum zittern bringt.

Aber du bist nicht der Eine aus der Bar und du bist kein Tinder Match, Mr. Anonymus.

 

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